Episodios

  • Dreht Deutschland langsam durch, Armin Nassehi?
    Mar 20 2025

    Armin Nassehi gehört zu den einflussreichen Sozialforschern des Landes. 2024 sagte er noch: „Es kann nur besser werden.“ Jetzt steht die Welt Kopf und Deutschland steckt in multiplen Krisen: Wirtschaft, Politik, Populismus. Im „MUT“-Talk mit Tijen Onaran erklärt Nassehi, warum Deutschland gerade verrückt wird – und was uns wieder zur Besinnung bringen könnte.

    Deutschland steht unter massivem Druck, Entscheidungen müssen unter Unsicherheitsbedingungen getroffen werden, viele gesellschaftliche Konflikte eskalieren. Auf die Frage, ob Deutschland gerade durchdrehe, antwortet Nassehi deutlich: „Ja, das muss man wahrscheinlich so sagen. Ja, Deutschland dreht tatsächlich durch“.

    Diese Wahrnehmung speist sich aus multiplen Krisen, die sich gegenseitig verstärken, so der Soziologe. Menschen spüren Orientierungslosigkeit, das Vertrauen in politische und wirtschaftliche Eliten schwindet. „Der große Grund, warum die Leute durchdrehen, ist: Sie haben das Gefühl, dass es keine Leute mehr gibt, die wissen, was sie tun“, so Nassehi. Und während in der Vergangenheit Streit als demokratisches Mittel zur Lösungsfindung galt, ist er heute oft destruktiv. Debatten verfestigen Gräben, statt Brücken zu bauen.

    Besonders kritisch betrachtet Nassehi die designierte politische Führung. Friedrich Merz sieht er als schwache Figur, die weder strategische noch taktische Stärke besitze. „Er macht nicht den Eindruck, als hätte er die Dinge professionell in der Hand.“ Statt mit Souveränität und Sachverstand zu überzeugen, kopiere er bisweilen den Stil und das Vorgehen der AfD, so Nassehis Vorwurf. Er legt nach: „Es fehlt Merz an Handwerkszeug – darüber muss man sich Sorgen machen“.

    Armin Nassehi sieht die deutschen Erwartungen an Politiker als widersprüchlich. Olaf Scholz habe zu viel geschwiegen, Robert Habeck viel erklärt und Friedrich Merz wirke entschlossen, scheitere aber an mangelnder Strategie. Boris Pistorius hingegen überzeuge durch klare Worte und das Gefühl von Kontrolle. „Bei Frau Weidel fällt es mir sehr schwer, ruhig zu argumentieren. Ein ganz fürchterlicher Stil“, sagt Nassehi und erklärt, warum Stilfragen heute oft entscheidender sind als Inhalte – das zeige auch der Erfolg von Trump.

    Den Erfolg der AfD erklärt Nassehi auch damit, dass sie vor allem im Osten die einzige Partei sei, die wirklich „vor Ort ist“. Der Versuch, sie argumentativ zu widerlegen, sei aber wirkungslos: „Es hilft nicht, gegen die AfD zu argumentieren – es hilft nur, die Dinge im Griff zu haben.“ Nassehi ist überzeugt: „Die Menschen lassen die AfD erst rechts liegen, wenn sie das Gefühl haben, dass Kompetenz da ist“.

    Auch in der Wirtschaft sieht Nassehi ein strukturelles Problem. Deutschland sei zu träge, festgefahren in alten Denkweisen und kulturellen Prägungen. „Kulturelle Prägungen sind viel mächtiger als jedes gute Argument.“ Ein Wandel sei notwendig, doch dieser lasse sich nicht durch bloße Appelle herbeiführen – Veränderungen müssten praktisch erfahrbar sein. Wenn sich die wirtschaftliche Lage bessere, würden viele Debatten versiegen: „Wenn die Kassen wieder voll sind, kümmert man sich nicht mehr um diese Dinge.“

    Ob sich die Situation 2025 zum Besseren wendet, bleibt für Nassehi offen. „Ich hoffe es, die Zeichen stehen aber nicht unbedingt dafür, dass es sich sofort erfüllt.“ Vielleicht werde es mehr Klarheit geben, vielleicht könnten einige Krisen entschärft werden. Doch solange grundlegende Probleme ungelöst bleiben, werde Deutschland weiter mit sich selbst kämpfen.

    Más Menos
    51 m
  • Wissen Sie, was Sie da tun – und mit wem, Friedrich Merz?
    Feb 18 2025

    Deutschland wartet nach mehr als drei Jahren Ampel auf die große Wende. Friedrich Merz verspricht sie – bei der Migration, in der Wirtschaftspolitik, aber auch beim Sozialen. Ich will vom CDU-Chef wissen: Kann das gelingen, wenn SPD und/oder Grüne mit an Bord sind? Und wie halten Sie es wirklich mit der Brandmauer, Friedrich Merz?

    Friedrich Merz spricht im „MUT“-Talk mit Tijen Onaran über die großen Herausforderungen des Landes und seine Vision für die Zukunft. Dabei geht es um Migration, Wirtschaft, Verteidigungsausgaben und aber um den richtigen Umgang mit der AfD. Besonders deutlich wird Merz, wenn es um die Zusammenarbeit mit SPD und Grünen geht – und welche Richtung er für Deutschland einschlagen will.

    Beim Thema Migration stellt Merz klar, dass die unkontrollierte Zuwanderung zur Spaltung der Gesellschaft und Fremdenfeindlichkeit beigetragen hat. Er betont: „Das hängt auch mit der unerträglichen AfD zusammen“. Gleichzeitig verspricht Merz: „Ich will alles tun, um wieder ein gutes Klima herzustellen“.

    Merz sieht die Lösung des Migrationsproblems als zentral für viele andere Herausforderungen. Mit Blick auf die AfD fordert er, dass die etablierten Parteien ihr Profil schärfen: „Drei Jahre Ampel haben gereicht, um die AfD zu verdoppeln. Offensichtlich hilft die Brandmauer doch nicht!“ Dennoch sei für ihn klar: „Ich tue alles, um zu verhindern, dass es noch schlimmer wird.“

    Auch in der Wirtschaftspolitik sieht Merz großen Handlungsbedarf. Die ersten 100 Tage einer möglichen CDU-geführten Regierung will er nutzen, um den „Aderlass“ der deutschen Wirtschaft zu stoppen. „Alle Entscheidungen werden wir unter eine Frage stellen: Dient das der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit oder nicht?“ Dazu gehören für ihn eine große Steuerreform, die Reformierung des Bürgergelds und eine Aktivrente.

    Bei den steigenden Verteidigungsausgaben verteidigt Merz Investitionen in die Bundeswehr gegen Kritik, dass dafür an anderer Stelle gespart werde: „Die SPD schürt Angst, ich kenne das Muster.“ Den Vorwurf, er würde bei Rente, Gesundheitssystem und Pflege den Rotstift ansetzen, weist er zurück: Merz verspricht: Es gibt „keinen Grund zur Panik“.

    Ein weiteres Thema ist die Geschlechterfrage. Merz äußert sich skeptisch gegenüber der aktuellen Debatte: „Ich habe überhaupt kein Problem mit Transpersonen – es ist aber nicht das Hauptproblem unseres Landes“. Auch in der Diskussion um Frauen in Führungspositionen macht der CDU-Chef eine Beobachtung: „Es ist leider so, dass Frauen öfter zögern und länger abwarten. Da gibt es immer noch große Unterschiede zwischen Männern und Frauen.“ Den Begriff „Feminist“ für sich selbst lehnt er ab: „Ich tue mich damit schwer.“

    Mit Blick auf die internationale Politik äußert Merz ein „gehöriges Störgefühl“ gegenüber der aktuellen Lage in den USA. „Das ist nicht mehr das Amerika, das ich vor 40 Jahren kennengelernt habe“. Gleichzeitig spricht er sich für mehr wirtschaftlichen Sachverstand in der Politik aus und kündigt an, im Falle eines Wahlsieges, ein Ministerium einem Experten aus der freien Wirtschaft anvertrauen zu wollen.

    Am Ende des Gesprächs geht es auch um die Zukunft der CDU – und darum, was passiert, wenn sie es nicht schafft, die Probleme des Landes zu lösen. Ein FOCUS-online-Leser formuliert es drastisch: „Entweder die CDU liefert, oder sie ist geliefert, und die AfD bekommt bei der Wahl 2029 die absolute Mehrheit.“

    Merz teilt diese Analyse: „Wir werden die Probleme wirklich lösen müssen. Wenn wir uns als unfähig erweisen, dann steht diesem Land 2029 Anderes ins Haus.“ Doch er bleibt optimistisch. Merz‘ persönliches Credo lautet: „Die Probleme unseres Landes sind aus eigener Kraft lösbar“.

    Más Menos
    34 m
  • Fanden Sie sich eigentlich gut – und was wird als Kanzler besser, Robert Habeck?
    Jan 21 2025

    Ein Mann, zwei Jahre Rezession, viele Meinungen: Für die einen ist Robert Habeck der „schlechteste Wirtschaftsminister aller Zeiten“, für die anderen der mutige Reformer, der Deutschland neu erfinden will. Im „MUT-Talk mit Tijen Onaran“ zieht der Grüne Fazit über sich selbst – und gibt Deutschland ein Versprechen.

    Wirtschaftsminister Robert Habeck räumt ein, dass die derzeitige Lage besorgniserregend ist: „Es gibt Grund zur Sorge.“

    Habeck beschreibt die Wirtschaftskrise als eine, die durch fehlendes Wachstum und die Schwächung des Exportmarktes verschärft wird. Zudem sei die hohe Abhängigkeit von fossiler Energie aus Russland ein weiterer belastender Faktor.

    Trotz der Herausforderungen hebt Habeck Fortschritte hervor, etwa beim Fachkräfteeinwanderungsgesetz und beim Bürokratieabbau. Auch die Energiewende könne die Preise langfristig senken. Doch insgesamt zieht der Spitzenkandidat der Grünen ein ernüchterndes Fazit: „Es hat am Ende nicht gereicht.“

    Im Gespräch mit Onaran wird Habeck auch emotional, als es um die Kritik des Kanzlers Olaf Scholz an seinem Vorschlag zur Finanzierung der Bundeswehr geht. Scholz hatte den Plan als „unausgegoren“ bezeichnet, was Habeck heftig zurückweist: „Mit großem Respekt vor dem Bundeskanzler. Was ist das für ne Aussage?“, kontert der Grüne.

    Er betont, dass hinter seinem Vorschlag ein klarer Investitionsplan stehe, um die Sicherheit Deutschlands zu stärken: „Ich rede nicht nur über Panzer und Fregatten, sondern auch über Cybersecurity, über die Abwehr von Spionage, über hybride Kriegsführung.“ Die Bundeswehr habe lange keine solchen Investitionspläne gehabt. „Es heißt Sondervermögen, ist aber auch nichts anderes als Schulden machen für die Sicherheit. Sicherheit hat nun mal einen Preis“, so Habeck.

    Habeck sieht in dem aktuellen Zwist ein grundlegenderes Problem in Deutschland und kritisiert die Haltung, sich vor unangenehmen Debatten zu drücken. Er appelliert an die Regierung, Verantwortung zu übernehmen: „Dieses Wegducken nützt niemandem, weder der Bundeswehr noch der Sicherheit. Das ist ja keine politische Haltung.“

    Für Habeck war der „große kardinale Fehler“ seiner Amtszeit die unzureichende Reaktion auf die wirtschaftlichen Folgen des Ukrainekriegs. Obwohl er bereits zu Beginn des Jahres 2022 warnte, dass der Krieg Deutschland ärmer machen würde, wurde nicht entschieden genug gehandelt. Der Krieg führte zu Sanktionen, Energieverlust und Inflation, aber es fehlte ein umfassendes Konjunkturprogramm.

    Habeck kritisiert, dass Deutschland nicht wie andere Länder, etwa die USA mit dem Inflation Reduction Act, mit großen Investitionen reagiert habe. Für die Zukunft fordert er Investitionsanreize und Steuererleichterungen, um das Wachstum wieder anzukurbeln.

    Habeck äußert sich auch zu Sofortmaßnahmen zur Entlastung der Bürger und Unternehmen. Er kündigt an, die Strompreise zu senken und verspricht: „Wir haben den Strom sauber gemacht – jetzt machen wir ihn günstig.“ Zudem fordert er Investitionsprämien, um die Wirtschaft zu stärken.

    Im Hinblick auf die politische Zukunft, insbesondere als möglicher Kanzler, zeigt Habeck eine klare Vision: „Das Leben wird bezahlbarer werden“, verspricht der Grüne. Wenn er Kanzler würde, wolle er Deutschland auf einen stabileren und gerechteren Kurs führen.

    Zudem äußert sich Habeck über seine Haltung zu anderen Politikern. So weist er die Kritik von CSU-Chef Markus Söder scharf zurück und spricht sich gegen das „unsolidarische Verhalten“ in der Politik aus. Bei der Frage, wie er mit Trump umgehen würde, betont Habeck, dass er als Kanzler pragmatisch auf die Realität reagieren würde, anstatt zu träumen.

    Seine Bilanz ist insgesamt von einer Mischung aus Selbstkritik und Entschlossenheit geprägt. Trotz der schwierigen Lage bleibt Habeck optimistisch, dass es in der Zukunft besser wird – insbesondere mit einer klaren, verantwortungsbewussten Politik.

    Más Menos
    38 m
  • Warum braucht Deutschland Sie noch einmal als Kanzler, Olaf Scholz?
    Jan 14 2025

    In Olaf Scholz' Regierungszeit fallen eine Rezession, Firmenpleiten, Höhenflüge für Populisten und nicht zuletzt eine massive Regierungskrise. Trotzdem will er nochmal Kanzler werden. Im „MUT-Talk“ erklärt Scholz, warum Deutschland ihn nochmal braucht - und was er im Fall eines Sieges anders machen wird.

    Im Video-Podcast „MUT – der Deutschland-Talk“ mit Unternehmerin Tijen Onaran prognostiziert der Kanzler selbstbewusst, dass seine Partei die Wahl gewinnen werde – trotz Umfragen, die die SPD weit hinter der Union und der AfD sehen.

    Auf die Frage, wann er als Kanzler Mut gebraucht habe, antwortet Scholz: „Zum Beispiel nach dem furchtbaren Angriff auf die Ukraine. Da musste ich Entscheidungen treffen, etwa, dass wir Waffen liefern. Anders als das jahrzehntelang der Fall war.“ Kanzler zu sein, bedeute, „die ganze Zeit in der Lage zu sein, zu entscheiden.“ Doch bei vielen Konflikten der Ampel-Regierung, etwa beim Heizungsgesetz, war Scholz’ Führungsstärke nicht immer sichtbar.

    Scholz: „Wirtschaftspolitik, die mit Vorschriften arbeiten will, ist kein guter Rat“

    Im Gespräch verweist der Kanzler auch auf gemeinsame Leistungen der Ampel-Koalition, übt jedoch deutliche Kritik an seinen früheren Partnern. Wirtschaftsminister Robert Habeck gerät ins Visier: „Manches von dem, was die Regierung an Kritik bekommen hat, ist ja ausgerechnet auf seiner Wiese gewachsen“, so Scholz mit Blick auf das Heizungsgesetz. „Wirtschaftspolitik, die mit Vorschriften arbeiten will, ist wahrscheinlich kein guter Rat.“

    Mit FDP-Chef Christian Lindner scheint Scholz ebenfalls abgeschlossen zu haben: „Eine Partei hatte schon seit Wochen geplant, die Koalition in einer großen Inszenierung zu verlassen. Darüber war ich sauer – und bin es immer noch.“ Namen wie „FDP“ oder „Lindner“ vermeidet Scholz dabei konsequent. Auf die Frage, ob die Liberalen es wieder in den Bundestag schaffen würden, sagt er lediglich: „Wird schwer, sage ich mal ganz höflich.“

    Zwei Dinge würde der Kanzler rückblickend anders machen

    Auch Selbstkritik lässt Scholz anklingen. Er räumt ein, dass er die Ampel-Koalition früher hätte beenden sollen: „Die Bürgerinnen und Bürger hätten die Chance bekommen, früher neu zu wählen.“ Mit Blick auf den Ukraine-Krieg betont er die Notwendigkeit zusätzlicher Finanzierung: „Das kann man nicht auf Kosten anderer Dinge tun. Das muss zusätzlich finanziert werden.“

    Wie Scholz die wirtschaftlichen Herausforderungen meistern will, macht er ebenfalls deutlich. Mit einem „Made-in-Germany-Bonus“, Bürokratieabbau und der Förderung modernster Technologien wie Künstliche Intelligenz und Quantencomputing will er Deutschland in den „Vorwärtsgang“ bringen. Besonders betont er die Bedeutung der Steuerprämie für Unternehmensinvestitionen: „Unbürokratisch, zielgenau und hilfreich für Gründer und Start-Ups.“

    Scholz verteidigt Migrationspolitik: „Da hilft eben kein Sprücheklopfen, sondern Tun“

    Beim Thema Migration verteidigt der Kanzler seine Politik: „Die Kontrollen an den Außengrenzen wurden verstärkt, und die Zahl der irregulären Asylgesuche ist deutlich zurückgegangen.“ Scholz hebt hervor, dass auch die Rückführung von Personen ohne Bleiberecht verbessert wurde. „Da hilft eben kein Sprücheklopfen, sondern Tun.“

    Zum Abschluss appelliert Scholz an den Mut und die Zuversicht der Bevölkerung: „Deutschland ist mit 84 Millionen Einwohnern unter acht Milliarden Menschen die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Das ist was.“ Er betont, dass Deutschland bei Bildung und Forschung eine solide Basis habe und sich nicht kleinreden lassen dürfe.

    Auf die Frage, ob er sich eine Rolle in einer großen Koalition unter Friedrich Merz vorstellen könne, antwortet Scholz entschieden: „Nein, ich kämpfe dafür, dass ich den Auftrag bekomme, wieder Kanzler zu werden.“ Trotz schwieriger Umfragewerte bleibt Scholz’ Optimismus ungebrochen.

    Más Menos
    47 m
  • Wie wird der Ukraine-Krieg enden – und was hätten Sie als Kanzler getan, Armin Laschet?
    Dec 3 2024

    Olaf Scholz hat seinen Kanzler-Traum 2021 platzen lassen. Heute sagt Armin Laschet: „Ich hätte einiges gemacht wie Scholz – vor allem im Umgang mit Russland“. Ein Szenario für das Ende des Ukraine-Krieges hält der CDU-Mann für realistisch.

    Im „MUT-Talk“ mit Tijen Onaran reflektiert Armin Laschet über prägende Momente seiner politischen Laufbahn, äußert sich zu aktuellen Debatten und spricht über Deutschlands Rolle in der Außenpolitik.

    Der „Lacher-Moment“ und seine Konsequenzen

    Laschet erinnert sich an den umstrittenen Moment während seines Wahlkampfs, als er bei einem Besuch in den Flutgebieten lachte. „Die Wirklichkeit war anders“, erklärt er. „Es gibt Momente, auch bei Katastrophen, wo selbst die Beteiligten lachen.“ Er betont, dass er die Situation nicht bagatellisieren wollte, sondern das Missverständnis ihn nachhaltig geprägt habe.

    Scholz und die Ampel-Koalition

    Gefragt, ob er sich mehr Emotion von Olaf Scholz gewünscht hätte, zeigt sich Laschet differenziert. „Er ist, wie er ist: Ich schätze ihn menschlich, aber er ist ein eher kühler Norddeutscher.“ Gleichzeitig verteidigt er Scholz in einigen Aspekten, vor allem in der Außenpolitik und im Umgang mit Russland. „Ich hätte manches gemacht wie er. Er hat immer darauf geachtet, Deutschland nicht in den Krieg zu ziehen.“

    Scharf kritisiert Laschet Scholz hingegen bei der Führung seiner Regierung. Hierfür brauche es „Empathie und Emotion“. Beides habe gefehlt, so Laschet. „Keiner hat keinem etwas gegönnt – dann ist alles eskaliert.“ Für die Zukunft warnt Laschet vor einer erneuten Großen Koalition: „Die Vorstellung ist für mich ein Grauen. Denn dann wird ja wieder nichts besser.“

    Deutschlands Außenpolitik

    Laschet beleuchtet zudem kritisch das bisherige wirtschaftspolitische Modell Deutschlands, das von günstigem Gas aus Russland, einem starken Markt in China und der Sicherheitsgarantie durch die USA abhängig war. „Das Modell Deutschland – billiges Gas aus Russland, guter Markt in China, und für die Sicherheit bezahlen die USA – funktioniert so nicht mehr. Außenpolitik spielt plötzlich eine riesige Rolle.“

    Der Ukraine-Krieg und mögliche Lösungen

    Zum Ukraine-Krieg sieht Laschet wenig Raum für schnelle Lösungen durch militärische Unterstützung allein. „Waffen für die Ukraine und dann gewinnen sie? Das habe ich nie für ein realistisches Szenario gehalten.“

    Stattdessen rechnet er damit, dass man irgendwann zu einem Waffenstillstand kommen werde – „und das entscheidet allein der amerikanische Präsident“, so Laschet. „Ein Waffenstillstand ungefähr auf der Linie, auf der heute die Truppen stehen – das ist eine nicht unwahrscheinliche Lösung.“

    Angesprochen auf die Unterstützung der Ukraine durch Deutschland macht Laschet Mut: „Das ist richtig investiertes Geld; in die Sicherheit der Ukraine und unsere eigene – aber trotzdem brauchen wir jetzt Auswege.“ Er unterstreicht die Bedeutung, politische und finanzielle Unterstützung klug einzusetzen, während er gleichzeitig zu einer langfristigen Perspektive mahnt.

    Más Menos
    35 m
  • Wann schafft Deutschland den Turnaround, Marcel Fratzscher?
    Nov 26 2024

    Rezession und Regierungskrise: Deutschland steckt im doppelten Schlamassel. Doch DIW-Chef Marcel Fratzscher glaubt fest daran, dass wir den Turnaround schaffen, wenn wir jetzt einen großen Fehler nicht begehen.

    Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), spricht im „MUT-Talk“ mit Tijen Onaran über die drängendsten Herausforderungen Deutschlands und findet dabei klare Worte.

    Seine größte Kritik richtet sich an die Ampelregierung: „Das zentrale Problem war die Kakophonie. Es fehlte die Fähigkeit, Vertrauen zu schaffen. Diese Unsicherheit ist Gift für die Wirtschaft und die Gesellschaft.“ Fratzscher fordert dringend mehr Einheit und klare Kommunikation.

    Dennoch blickt er skeptisch auf eine mögliche CDU-geführte Regierung nach den Neuwahlen: „Ich glaube, die nächste Regierung wird sich in der Kommunikation bessern, schlechter geht es ja kaum. Aber inhaltlich sehe ich die Gefahr, dass drei Konflikte unter einer CDU-geführten Regierung noch größer werden“, so Fratzscher.

    Mit Blick auf die aktuelle Lage der deutschen Wirtschaft warnt Fratzscher vor Schwarzmalerei. Er erinnert an die Zeit, als Deutschland als „kranker Mann Europas“ galt, dann Reformen umsetzte und in den 2010er-Jahren schließlich wieder wirtschaftliche Erfolge feierte. Fratzscher gibt zu bedenken: „Dieser Erfolg hat uns satt gemacht, und das rächt sich jetzt.“ Die größte Gefahr für Deutschland liege laut Fratzscher nun darin, die Transformation zu verlangsamen. „Das wäre der größte Fehler, den Deutschland jetzt machen kann.“

    Die Auswirkungen einer möglichen zweiten Amtszeit von Donald Trump auf Deutschland sieht Fratzscher indes als dramatisch an: „Wirtschaftlich wäre das eine Katastrophe. Es würde Arbeitsplätze und Wachstum kosten, die Preise treiben und vor allem Menschen mit geringem Einkommen treffen. Die Deindustrialisierung würde sich beschleunigen.“

    Mitunter seine schärfste Kritik richtet sich gegen Christian Lindner und die FDP. „Der Liberalismus ist verschwunden. Die FDP ist für mich keine liberale, sondern eine libertäre Partei. Lindner ist ein exzellenter Kommunikator, aber er hat nicht das Liberale in die Bundesregierung gebracht – und das enttäuscht mich“, so der DIW-Präsident.

    Fratzscher plädiert im Talk mit Tijen Onaran für eine Abkehr von der übermäßigen Fixierung auf die Schuldenbremse. „Wir haben eine seltsame deutsche Moral, die Schulden grundsätzlich als schlecht betrachtet. Aber es gibt gute Schulden – etwa für Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Transformation“, so der DIW-Präsident. Er ist überzeugt, dass die Schuldenbremse noch in zehn Jahren bestehen wird, obwohl sie aus seiner Sicht überdacht werden müsse.

    Abschließend hebt Fratzscher hervor, was ihm Hoffnung macht: „Deutschland ist ein Land mit unglaublichem Potenzial. Wir haben die beste Form der Demokratie, eine leistungsstarke Wirtschaft und eine offene Gesellschaft – auch wenn diese angegriffen wird. Es gibt kaum ein Land, das lebenswerter ist als Deutschland.“

    Fratzscher betont, dass Vielfalt ein zentraler Wert sei, den es zu schätzen gelte. „Wir sind ein buntes Land. Viele erleben Vielfalt als Bedrohung, aber sie ist unsere Stärke. Wir müssen lernen, diese zu nutzen.“

    Más Menos
    35 m
  • Migration, Regierungskrise, VW: Wie löst ein Linker unsere Probleme, Bodo Ramelow?
    Nov 19 2024

    Migration, Regierungskrise, VW-Drama: Kann linke Politik überhaupt noch Antworten auf die drängendsten Probleme unserer Zeit liefern? Bodo Ramelow sagt „Ja!“ und skizziert seine Lösungsansätze – nicht ohne Sahra Wagenknecht einen scharfen Vorwurf zu machen.

    2014 wurde er als erster Linker zum Ministerpräsidenten eines Landes gewählt und führte Thüringen über zwei Amtszeiten. Obwohl ihn jeder Zweite in Thüringen als Ministerpräsident behalten wollte, liegt sein politisches Lebenswerk nun in Trümmern – AfD und Sahra Wagenknecht sei Dank.

    Im „MUT-Talk“ mit Tijen Onaran spricht Bodo Ramelow über den Erfolg seiner Person und die Niederlage seiner Partei. „Ich finde es eigentlich ganz angenehm, wenn jemand sagt, Sie sind ein toller Politiker, aber in der falschen Partei.“ Nichtsdestotrotz wünscht sich der Linken-Politiker „mehr Offensive, um direkte Demokratie zu ermöglichen“. Ramelow plädiert für häufigere Volksabstimmungen und Volksbegehren sowie mehr Bürgerbeteiligung.

    Gleichwohl zeigt sich Ramelow selbstkritisch, auch vor dem Hintergrund des BSW-Erfolgs bei den jüngsten Landtagswahlen in Ostdeutschland. „Wir haben die Menschen in Ostdeutschland gefühlsmäßig nicht mitgenommen.“ Es gebe dort eine Sehnsucht nach etwas, das den Menschen verloren gegangen sei, sagt Ramelow. Und: „Ich spüre, dass wir uns in einem Dilemma bewegen, das Sahra auf ihre Art aufgelöst hat - indem sie den Wählern ein Angebot unterbreitet hat, das diese nicht prüfen konnten.“

    Vor dem Hintergrund der zähen Koalitionsverhandlungen in seinem Bundesland geht Ramelow seine ehemalige Parteikollegin scharf an. Er bezeichnet das BSW als eine „Ich-AG von Sahra Wagenknecht“ und urteilt: „Ein ganzes Bundesland wird in Geiselhaft genommen für Vorstellungen, die Frau Wagenknecht und Herr Lafontaine haben.“

    Auch die aktuelle wirtschaftliche Lage Deutschlands ist Thema im „MUT-Talk“ mit Tijen Onaran. Sinnbildlich dafür steht die Krise bei VW. Für Ramelow sind die Verantwortlichen für die Krise des Automobilherstellers klar: „Erstmal das Management, dann die Politik mit den Rahmenbedingungen.“

    Der Linken-Politiker berichtet, dass er selbst jahrelang VW-Kunde gewesen sei – und dann das Vertrauen in die Marke verloren habe: „Ich habe immer aus Überzeugung Diesel gefahren; und zwar den TDI. Bis der Betrug kam. Heute weiß ich, wie systematisch dieser Betrug begangen worden. Dann hat man nur Schadensbegrenzung betrieben und keine Konsequenzen daraus gezogen.“ Heute fährt Ramelow privat „einen ganz kleinen Elektro-Wagen“.

    Tijen Onaran und Bodo Ramelow kommen auch auf die Migrationskrise in Deutschland zu sprechen. Der Linken-Politiker mahnt hier an: „Es entsteht der Eindruck, dass jeder Flüchtling ein Problem ist.“ Das sei ein gefährlicher Irrtum. Anstatt immer nur über Asyl und Flüchtlinge zu sprechen, müsse man viel mehr das Thema Arbeitsmigration in den Fokus nehmen. Ramelow nennt konkrete Beispiele aus seinem Bundesland, die illustrieren, wie erfolgreiche Arbeitsmigration in Deutschland in Zukunft aussehen kann.

    Más Menos
    45 m
  • Wie verändert sich Deutschland, wenn Merz regiert, Carsten Linnemann?
    Nov 14 2024

    Was passiert mit Deutschland, wenn Merz Bundeskanzler wird? Im „MUT-Talk“ mit Tijen Onaran skizziert der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, was seine Partei bei Migration, Wirtschaft und Rente vorhat. Deutliche Botschaften sendet er an die Grünen – und an AfD-Wähler.

    Im „MUT-Talk“ mit Tijen Onaran macht CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann deutlich, wie sich die Politik unter einem Kanzler Friedrich Merz ändern würde. „Es muss sofort eine Änderung in Deutschland eintreten“, sagt Linnemann und skizziert ein Sofortprogramm, um unmittelbar wirksame Maßnahmen umzusetzen. „Nicht erst lange labern“, betont er, und verspricht im Falle einer Machtübernahme: „Weihnachten 2025 wird für die Menschen anders sein.“

    Zur Migrationspolitik sagt Linnemann: „Der gesunde Menschenverstand sagt: Wir müssen wissen, wer im Land ist und wer nicht.“ Wenn die Außengrenzen der EU nicht funktionierten, müsse man die deutschen Grenzen verstärkt kontrollieren, so Linnemann. Seine Vision: „Kontrollen in Drittstaaten – über Kontingente Flüchtlinge aufnehmen, die wirklich Hilfe brauchen.“ In Hinblick auf die Erfahrungen seit 2015 räumt er ein: „Wir waren zu tolerant und liberal – aber wir haben die Lehren aus 2015 gezogen.“

    Linnemann äußert sich auch zur Rentenpolitik und plädiert für eine „Aktivrente“. Er kritisiert die Mentalität, „die Tage bis zur Rente zu zählen“, die er vor allem in Deutschland sehe. Sein Vorschlag: Wer das gesetzliche Rentenalter erreicht, soll danach steuerfrei bis zu 2000 Euro im Monat hinzuverdienen können. Dies soll Anreize schaffen, auch im Rentenalter weiterzuarbeiten, „gerne in Teilzeit“.

    Im Hinblick auf die Wirtschaft fordert der CDU-Generalsekretär an fünf Punkten eine grundsätzliche Neuordnung: „Erst das Erwirtschaften, dann das Verteilen“, so die zentrale Botschaft Linnemanns. Außerdem sollen Steuern so angepasst werden, dass Mehrarbeit interessanter und eine Mittelstandsreform möglich wird. Für die Fachkräftesicherung soll eine digitale Plattform eingeführt werden, „damit es schneller geht“.

    Weiterhin fordert er, dass die Energiepreise insbesondere für energieintensive Branchen sinken müssen, und kritisiert den Bürokratieaufwand in Deutschland: „Es gibt in Deutschland kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem.“

    Über die mögliche Zusammenarbeit mit den Grünen äußert sich Linnemann pragmatisch. „Mit Omid Nouripour könnte ich zusammenarbeiten“, erklärt er, stellt aber auch fest, dass beim Thema Migration oft wenig Gesprächsbereitschaft bestehe: „Wenn ich Grenze sage, ist das Gespräch schon vorbei.“

    In einer direkten Botschaft an AfD-Wähler sagt Linnemann abschließend: „Wer sie wählt, stärkt Links-Grün.“

    Más Menos
    31 m
adbl_web_global_use_to_activate_webcro768_stickypopup